Inhalt
Lin Xiaolu ist noch nicht lange an der Schule und hat sich bisher schwer getan neue Kontakte zu knüpfen. Sie ist ein Scheidungskind, was an sich kein großes Problem darstellt, allerdings eckt Lin mit ihrer Ansicht bezüglich der Trennung bei vielen Personen an. Sie gönnt ihren Eltern die Möglichkeit, einen Neuanfang zu starten, was einigen sauer aufstößt und für Unverständnis sorgt. Schnell hat sie gelernt, dass es besser ist, nicht immer alles zu sagen, was man denkt und so zieht sie sich in ihre Fantasiewelt zurück. Dies macht den Schulalltag für sie erträglich, doch dann reißt die Realität sie aus ihren Träumen – in Form eines jungen Mannes an ihrer Schule.
Illustration
Stimmungsvoll setzt die Zeichnerin Ageng in farbigen Illustrationen den autobiografischen Roman der Autorin Jidi um. Die durchweg bunten Zeichnungen lassen den Leser in Lins Welt eintauchen und bieten auf teils ganzseitigen Bildern genügend Platz zum Eintauchen.
Im Fokus des Betrachters liegt dabei immer das unmittelbare Geschehen, das sich immer deutlich vom Hintergrund abhebt, aber trotzdem sehr gut harmoniert. Auch wenn Lins Gedankenwelt sehr bunt und teils chaotisch wirkt, ist es doch nie zu überladen. Oft werden die Bilder durch Texte unterstützt, damit der Leser versteht, weshalb das Mädchen gerade in dieser Situation in ihre eigene Welt abtaucht. Bei der Illustration gefallen mir besonders gut die Momentaufnahmen: Als Bruder Hu eine Zigarette raucht und die glühenden Funken in der Dunkelheit davonfliegen.
Geschichte
Neben dem Thema Scheidung, das zwar auch im Mittelpunkt steht, geht es primär um Lins charakterliche Entwicklung und um das Erwachsenwerden. Ausgrenzung wird ebenso angesprochen wie Liebe oder gesellschaftliche Tabus. Dabei lassen sich zwischen unserer Gesellschaft und der chinesischen Variante der 90er Jahre immer noch viele Parallelen ziehen, was durchaus für junge Leser interessant ist. Es gibt einige kulturbedingte Unterschiede aber genauso viele Gemeinsamkeiten, die mich auch an meine Jugend erinnerten und sich heute wohl nicht verändert haben. Besonders liebevoll dargestellt wird Lins Schwärmerei, vor allem was sie emotional durchlebt, wenn sie ihn sieht. Die Themen Freunde, Liebe, Schule und Scheidung sind und bleiben zeitlos.
Buch | Übersetzung
Seit meinem letzten „Chinabook“ habe ich mir meine chinesisch Vokabeln mal wieder etwas angesehen, damit ich auch durch das Original blättern kann. Praktisch war hier, dass dieser Manhua eine Vokabelliste beinhaltet, damit einige Wörter direkt nachgeschlagen werden können. Die deutsche Übersetzung ist sehr nah am Chinesischen, was für rein deutsche Leser anfangs etwas befremdlich wirken wird. Primär Lins Gefühlsbeschreibungen, die oft lyrisch angehaucht sind, wirken manchmal etwas kantig, da eine freie Übersetzung oder Anpassung den Sinn verändern würde. Für bilinguale Leser ein deutlicher Vorteil, denn so sind die Sätze immer nachvollziehbar. Grundsätzlich finde ich die Übersetzung stilsicher und konsequent durchgezogen. Etwas Kleines, das ich zu bemängeln habe, ist die deutsche Schriftart und Farbe auf manchen Bildern. Manchmal ist sie zu klein oder zu dunkel und ich musste tatsächlich meine Brille zum Lesen aufsetzen, die ich eigentlich nur vor dem PC trage.
Fazit
Mich hat dieser Manhua so begeistert, weil diese feinen Details, wie die glühenden Funken der Zigarette, eine Illustration zu einem Stück Realität machen. Wenn wir ehrlich sind, dann verleihen doch auch diese Feinheiten einer Situation unserem Leben einen gewissen Pathos und die Emotionalität, die uns so oft rührselig stimmt. Eigentlich bin ich nicht sehr emotional veranlagt, trotzdem berührt mich diese Geschichte irgendwo in meinen tiefsten Abgründen. Die Hauptcharaktere führen ein simples Leben ohne Aufregungen und trotzdem fiebere ich mit einem jungen Mädchen mit, das sich in das Leben ihres Schwarms schleichen möchte. Wie Schicksal und Zufall ihr Leben beeinflussen und wie schnell Einsamkeit verschwinden kann. Obwohl das Buch in Zeiten des politischen Umbruchs spielt, bleibt das Leben der Hauptcharaktere davon fast unberührt und auch hier erinnert es mich ein wenig an meine Schulzeit, in der Politik für mich eine untergeordnete Rolle spielte. Die Geschichte ist dramaturgisch wirkungsvoll konzipiert und kann den Betrachter die Situation näher bringen. Bunt, fantasievoll und ausdrucksstark werden Themen besprochen, die die Jugendlichen wohl schon seit Generationen beschäftigen. Da der Graphic Novel bei uns noch nicht abgeschlossen ist und weitere drei Bände folgen, bin ich gespannt, wie sich Lin, ihre Freunde und ihre Beziehungen noch entwickeln werden. Die 25 Euro für ein komplett coloriertes Buch, das auch noch Hilfestellung beim Chinesisch lernen bietet, sind absolut gerechtfertigt. Für mich sind 25 Euro der Standardpreis, den ich in gebundene Bücher investiere und die Graphic Novels von Chinabooks sind sehr hochwertig und absolut empfehlenswert!