Inhalt
Die Geschichte spielt sich auf dem Kontinent Vainqueur ab, der kurz vor der vollständigen Versandung steht. Die mysteriöse Ausbreitung der Wüste ist nicht aufzuhalten und die fruchtbaren Gebiete sind hart umkämpft. Alistel, die Heimat des Hauptcharakters Stocke, muss sich gegen die Truppen der Stadt Granorg verteidigen und das ist einfacher gesagt als getan. Stocke ist ein Special-Agent mit außergewöhnlichen Fertigkeiten, der sich allerdings eher introvertiert verhält. Mitten im Krieg erhaltet ihr eine Waffe der anderen Art – ein Buch namens „White Chronicle“, das euch an bestimmte Punkte in der Zeitlinie zurückschickt und euch die Möglichkeit gibt, eine andere Entscheidung zu treffen. In der Zwischenwelt „Historia“ trefft ihr auf Teo und Lippti, die euch das „White Chronicle“ erklären. Ab diesem Zeitpunkt stehen euch mehrere Pfade offen. Doch es ist nicht nur eure Aufgabe Alistel zu schützen – ihr findet heraus, was es mit der Sandplage auf sich hat.
Gameplay | Story (kleinere Spoiler)
Wer schon von Radiant Historia gehört hat, wird bestimmt auch mitbekommen haben, dass die Story sehr gut sein soll und das Gameplay innovativ. Ganz unrecht haben die Erzähler da nicht, doch einige kleine Problemchen hat das Spiel. Die Schwierigkeit mit Geschichten, die sich um Zeitreisen drehen, ist meistens irgendein Plothole, das gestopft werden muss. Das ist hier nicht der Fall, denn die Geschichte ist wirklich gut durchdacht. Die Zeitreisen finden nur an wichtigen Punkten der Story statt und sind kein integriertes Cheat-Modul, das jeder Zeit verwendet werden kann und euch an jede beliebige Stelle zurückbringt. Bei der Portierung für den 3DS hat der Spieler nun die Möglichkeit die Standard-Modi „Normal“ und „Hard“ (als DLC gibt es noch „Deathly“) zu wählen oder den Friendly-Modus und in diesem geschieht etwas außergewöhnliches. Das RPG wandelt sich zu einem fantastischen Graphic-Novel. Egal für welchen Modus sich der Spieler entscheidet, das Spiel ist redundant. Im Standard-Modus wiederholt sich Szene für Szene und teilweise müssen bestimmte Situationen bis zu einem gewissen Punkt wieder gespielt oder bereits entschiedene Kämpfe neu ausgefochten werden. Trotzdem werden an vielen Stellen neue Dialoge eingefügt, die zur Charakterentwicklung bei Stocke und Kumpanen beitragen, denn der ist am Anfang nicht der Sympathieträger. Die sich immer wiederholenden Kämpfe dienen dazu, herauszufinden, welchen Teil der Vergangenheit ihr ändern müsst, um vorwärts zu kommen. Dieser Schlüsselmoment ist an einigen Punkten der Geschichte die Nadel im Heuhaufen. Der Friendly-Mode hat nun die Option all diese Kämpfe einfach zu überspringen, die Feinde augenblicklich zu schlagen und den Gewinn einzuheimsen. Der Vorteil daran ist, dass die wunderbare Geschichte in den Fokus des Geschehens rückt und ihr die Kämpfe nur austragen müsst, wenn ihr das möchtet. Irrelevant wie gespielt wird, es ergeben sich zwei Zeitlinien: Standard und Alternate. Diese Zeitlinien sind an Fixpunkten eng miteinander verbunden und so könnt ihr von einem Punkt aus den anderen beeinflussen. Auch in diesem RPG heißt es, wo Licht ist, da ist auch Schatten und selbstverständlich seid ihr nicht der einzige Charakter mit einem „Chronicle“. Wo es früher nur ein weiteres schwarzes „Chronicle“ gab, wird in Perfect Chronology noch ein weiteres Buch eingefügt, das der Zeitlinie weitere Fixpunkte hinzufügt und das Spiel um einige Stunden Spielinhalt erweitert. Einer dieser Inhalte ist ein Dungeon namens „Vault of Time“, in welchem ein Shop seltene Items anbietet, die vor allem in den Standard-Modi sehr nützlich sind. Die zweite Erweiterung ist eine Frau namens Nemesia, die euch zeigt, was hätte sein können. In diesem Teil der Geschichte könnt ihr Seiten an euren Kameraden und Feinden kennenlernen, die euch vorher unbekannt waren. Die rundenbasierten Kämpfe in den Standard-Modi sind ausgefallen und teilweise schwierig. Eure Gegner befinden sich auf 3x3-Feldern und wechseln während des Kampfes die Positionen. Ihr befindet euch an fixen Positionen, die nicht verändert werden können. Allerdings könnt ihr die Reihenfolge des Angriffs verändern, was aber nur bei Anwendung einer Taktik einen Vorteil bringt. Im Verlauf des Spiels erlernt euer Team Fähigkeiten, um die Feinde an bestimmte Stellen des Spielfelds zu schubsen. Schafft ihr es mit geschickter Taktik die Gegner so zu platzieren, dass mehrere auf demselben Feld stehen, könnt ihr mehrfachen Schaden anrichten und sie schneller zerstören. Dadurch ergibt sich ein Combo-Bonus, der neben eurem Gewinn auch die Erfahrungspunkte um einen bestimmten Faktor erhöht. Feinde in der ersten Reihe erhalten mehr Schaden, können im Gegenzug aber an euch auch mehr Schaden anrichten. Wie in den meisten RPGs gibt es auch in eurer Truppe einen Leader, der für den primären Schaden zuständig ist. Zusätzlich gibt es hier einen Charakter der euren Anführer im Angriff unterstützt oder eine weitere unterstützende Rolle einnimmt (Healer / Assault-Support). Anfangs bekommt ihr auch gleich einen Heiler für euer Team. Im Verlauf des Spiels kommen noch weitere Charaktere hinzu, die euch, auf welche Art und Weise auch immer, als Support dienen können. Bisher ist mir allerdings noch kein richtiger Tank aufgefallen, der den ganzen Schaden auf sich zieht. Wer auf „Hard“ oder „Deathly“ spielt, muss das Kampf-System wirklich meisterhaft beherrschen, denn bereits im „Normal“-Modus sind einige Gegner sehr stark und haben den Erstangriff mit Instant-Kill inne, falls ihr auf einem zu niedrigen Level seid. Das Kampf-System funktioniert fast wie ein Puzzle und gibt viel Raum für taktische Experimente. Zwischen den Kämpfen helfen euch manchmal andere Wegbegleiter, aber ob sie angreifen oder heilen, ist dem Zufall überlassen. In den Standard-Modi werdet ihr die ersten 15 Stunden primär in der Nähe der Stadt verbringen und nur kurze Reisen in die immer gleichen Gebiete beginnen, dann kommt die Story aber in Fahrt und ihr könnt den gesamten Kontinent erkunden. Zusätzlich gibt es vor Beginn des Spiels die Option, die Zusatzinhalte des Remakes in das Spiel zu integrieren oder die alte Geschichte zu spielen, wobei der neue Content am Schluss spielbar wird.
Grafik | Charaktere | Sound | Synchronisation
An der Grafik von Radiant Historia hat sich nicht viel verändert. Die Old-School Pixelart bleibt erhalten und wird aber leider nicht an den 3DS angepasst, was bei der fast isometrischen Perspektive sehr gut funktioniert hätte. Die Artwork-Sequenzen haben einen modernen neuen Style und haben nicht mehr diesen 90er-Touch. Außerdem wurden diese Sequenzen um schöne Animationen erweitert. Die Charaktere bringen viel Diversität mit sich und bieten einerseits Fanservice – die Frauen sind meist vollbusig oder niedlich und die Herren entweder liebenswert oder sehr ansehnlich. Die Charaktereigenschaften sind durchaus unterschiedlich und entwickeln sich mit der Zeit weiter. Beim Soundtrack bleibt alles beim Alten, wird aber durch einige neue Stücke ergänzt, die sich sehr gut integrieren. Die englische Synchronisation ist, ich habe es von Atlus nicht anders erwartet, sehr hochwertig und vor allem bei den Hauptcharakteren sehr gut gelungen. Leider wird das Spiel, wie schon beim DS, auf dem deutschen Markt in eine Nische rutschen. Synchronisation und Texte sind auf Englisch. Mit Schulenglisch kommt man bei diesem Spiel nicht weit, da die Texte schon recht anspruchsvoll sind. Andererseits ist es verständlich, dass kein Geld mehr in den (sterbenden) 3DS investiert wird als nötig. Auch wenn die Grafik für die Switch nicht unbedingt sinnvoll ist, so wäre es doch eine Überlegung wert gewesen, ob eine Portierung für die neue Konsole nicht besser ist.
Fazit
Radiant Historia hatte für mich in den ersten Stunden eher einen faden Beigeschmack, da ich eher zu den ungeduldigen Spielern gehöre und mir nicht gerne redundante Szenen ansehe geschweige denn Dialoge. Keine Frage – das Kampf-System ist herausragend und gerade im Modus „Hard“ sehr fordernd. Doch 15 Stunden im selben Storyverlauf sind schon recht ermüdend und für mich war das Game eigentlich unten durch. Zwar können in den Gebieten mit steigendem Level, besseren Charakteren und mehr Fertigkeiten auch neue Items gesammelt werden, aber das macht das Spiel nur geringfügig spannender. Damit sich ein Spiel ständige Wiederholungen leisten kann, müssen die Gegner und Charaktere schon sehr ausgefallen sein und das ist bei Radiant Historia nicht der Fall. ABER (und damit kann man nach „Game of Thrones“-Manier sagen: „Alles vor dem Wort ‚aber‘ ist ein Haufen Sch***“) ich habe doch noch den „Friendly“-Modus getestet und siehe da, das Spiel macht einen kompletten Genrewandel durch und das im positiven Sinne. Für alle Ungeduldigen oder RPG-Noobs eröffnet dieser Modus ein völlig neues Spielerlebnis. Wir können aktiv am RPG teilnehmen, müssen uns aber keine Sorge über unser Level machen oder ob die Charaktere dem Gegner gewachsen sind. Die Story kann sich zusammenhängend entfalten, ohne dass längere Etappen mit Grinden oder Looten verbracht werden müssen. Auch wenn die Geschichte keine wirklich großen Überraschungen bietet, so ist sie doch durch ihre Logik in sich konsistent und macht Freude. Die Charaktere sind allesamt liebenswert und auch an den etwas unterkühlten Hauptcharakter Stocke gewöhnt man sich schnell. Ich hätte nach den vielen Stunden Spielzeit wirklich nicht erwartet, dass ich das Spiel doch noch so gut bewerten werde, aber durch den Friendly-Mode wird nun fast die gesamte (dem Englischen mächtige) RPG-Gemeinde angesprochen. Da mein ungeduldiges steinernes Spielerherz nun von der Story und dem Friendly-Modus erweicht wurde, kann ich dem Game ohne schlechtes Gewissen eine gute Bewertung aussprechen, auch wenn die Sache mit dem Only-English ein kleines Wehwehchen in meiner Brust hinterlässt. Radiant Historia: Perfect Chornology gehört definitiv in jede RPG-Sammlung und wird auch den kühnsten Strategen in die Verzweiflung treiben!