Trivia:
Human Lost basiert auf dem Roman „Gezeichnet“ [orig.: Ningen Shikkaku], der an zweiter Stelle der am meisten verkauften Romane in Japan steht. „Gezeichnet“ stammt aus dem Jahre 1948 und kann als Nachkriegsliteratur eingeordnet werden. Der Film kann Büchern wie Schöne neue Welt“ von Huxley (1932) oder das sehr bekannte „1984“ von Orwell zugeordnet werden, die sich mit der Zukunft als Dystopie beschäftigen. Geht es allerdings um eine Einordnung des Buches, so passt sie eher in die Kategorie des sogenannten "Kahlschlags". Den Leser:innen wird die Idylle entzogen und der Fokus auf die Trümmer und Ruinen der überlebenden Seelen gelenkt, die vom Krieg gezeichnet und zerrissen sind. Dies muss auch beim Betrachten des Films im Hinterkopf behalten werden.
Inhalt:
Im Jahr 2036 treffen zwei Ideologien aufeinander, ohne dass es der Großteil der Bevölkerung mitbekommt. Eine medizinische Revolution führte dazu, dass die Menschen weder an Krankheiten leiden müssen, noch das plötzliche Ableben unwiderruflich ist. Krankenhäuser, Ärzte und Pflegepersonal sind überflüssig geworden, denn Nanobots können mit Hilfe der S.H.E.L.L. über ein Netzwerk die Betroffenen heilen. Doch die soziale Schere geht weit auseinander, während einige ein Leben in Überfluss und Dekadenz führen, leben andere in völliger Armut und Perspektivlosigkeit. Die Umwelt ist zerstört, die Luft verschmutzt. Doch auch die Anbindung an das Netzwerk und die völlige Kontrolle durch das System führt zu einem verheerenden Phänomen, das man versucht zu vertuschen. Die sogenannten „Lost“ sind Menschen, die sich vom Netzwerk loslösen und sich in ein Monster verwandeln, das Amok läuft. Die Gesellschaft steht vor dem Abgrund. Eine Gruppe Jugendlicher aus einem der äußeren Bezirke, plant einen Anschlag auf das Zentrum. Youzou Oba schließt sich seinem besten Freund an und wird zum Teil der zwei Ideologien, die aufeinander treffen.
Muski/Animation
Der Soundtrack des Films ist einfach nur fabelhaft und passend zu den Szenen. In Zusammenarbeit mit internationalen Künstler entstand ein Song, der eine äußerst gelungene Komposition aus J-Pop und Latino-Musik ist: HUMAN LOST feat. J. Balvin / m-flo. Auch die Animation als eine Mischung aus CGI und traditionellem 2D-Artwork können einander sehr gut ergänzen.
Fazit:
Für mich war der Film ein sehr mutiges Projekt. Nicht nur, dass eine schwierige autobiografische Story visualisiert und durch CGI in ein sehr modernes Setting gesetzt wurde, auch die Wahl der Musik und die Kooperation auf internationaler Ebene machen diesen Film zu einem gelungenen Werk. Als der Film seine Premiere auf der Anime Expo in den USA hatte, war ich sehr erstaunt über die doch eher negativen Bewertungen zu diesem Film. Vermutlichen werden nur wenige den Roman "Gezeichnet" von Osamu Dazai kennen, für mich ist er allerdings ein Must-Read, wenn man sich für Literatur aus der Nachkriegszeit interessiert. Wie viele Geschichten mit dystopischen Setting, stellt der Hauptcharakter hier auch die Frage nach dem Sinn der Existenz, allerdings in einer Welt, in welcher man dem Tod dank moderner Technologie für lange Zeit entkommen kann. Der Film erzählt eine Geschichte, die auch die Zuschauer:innen förmlich zerreißt. Einerseits versteht man die Ideologie, das totalitäre Überwachungssystem durchbrechen zu wollen, auch wenn es andererseits Zugang zu annähernd perfekter medizinischer Versorgung bietet. Ähnlich wie in Huxley's "Schöner neuer Welt" ist auch hier der Anspruch die Utopie entweder allen zugänglich zu machen oder zu einem weniger utopischen Ideal zurückzukehren. Ein Unterfangen, das in völliger Perspektivlosigkeit zu radikalen Maßnahmen führt. Dass für Personen, die nicht in diese Gesellschaft passen, Flucht in Drogen oder Selbstmord als die einzigen Auswege erscheinen, ist verständlich. Allerdings ist selbst dieses fatalistische und selbstzerstörerische Verhalten in dieser Welt förmlich sinnlos, solange man ein Teil des Netzwerkes ist. Wenn du mit der S.H.E.L.L. verbunden bist, kann sie dich wieder zurückbringen. Viele Elemente des Films sind aus anderen Werken bekannt, sei es Realfilm oder Animation, wer aber immer wieder in Sci-Fi eintaucht, wird viel Altbewährtes entdecken und einen Hauch Nostalgie empfinden. Trotzdem ist die Komposition des Films im Zusammenspiel mit der Musik einzigartig und absolut sehenswert. Allerdings dürfen die Augen nicht vor der Geschichte verschlossen werden und die ganze Geschichte macht natürlich mehr Sinn, wenn man im Hinterkopf hat, was die Intension des Autors war. Es gibt viel Pathos, viel Wut und vor allem Zerrissenheit, Machtlosigkeit und Leid.